Rauchen im Auto - Aufklärung statt Verbote

2003 markiert einen symbolischen Wendepunkt: das „Auto der Deutschen“, der VW-Golf wird erstmals ohne Aschenbecher in der Serienausstattung ausgeliefert. Heute sind „Raucherpakete“ in Neuwagen ausschließlich aufpreispflichtige Extras. Zigarettenanzünder in älteren PKWs werden bevorzugt als Stromquelle zweckentfremdet. Die gesellschaftliche Diskussion über Nichtraucherschutz insgesamt hat zu einer viel höheren Rücksichtnahme beim Rauchen geführt. Das Rauchverhalten in PKWs hat sich grundlegend gewandelt. Die Zigarette bleibt heute meistens aus, besonders dann, wenn Minderjährige mitfahren. Trotzdem behaupteten zuletzt etliche Politiker, zahlreiche Kinder und Jugendliche würden auch heute noch rücksichtslos vollgequalmt. Ordnungspolitische Vorgaben seien unumgänglich. Anlass dieser Wortmeldungen war das zum 1. Mai in Österreich eingeführte Rauchverbot in PKWs in Anwesenheit von Kindern.

Besteht also auch hierzulande dringender Handlungsbedarf oder wird einmal mehr reflexartig und unkritisch dem Regulierungsdrang anderer Staaten gefolgt? Und wenn Handlungsbedarf besteht, welche Maßnahmen sind geeignet?

Eine Million Kinder, so war vielfach zu lesen, werden in Deutschland regelmäßig während Autofahrten Passivrauch ausgesetzt, jedes dreizehnte Kind. Diese alarmierende Zahl findet sich in einer Veröffentlichung des Heidelberger Krebsforschungszentrum DKFZ von 2016 und beruht auf Daten einer Telefonumfrage aus 2011. Der Haken: Anders als von den Autoren suggeriert war das Rauchverhalten im Auto „in Anwesenheit von Kindern“ nicht Gegenstand der Befragung. Es wurden lediglich die allgemeinen Rauchregeln im Auto abgefragt (Antwortoptionen: Rauchen ist „in keinem Auto erlaubt“, „manchmal oder in manchen Autos erlaubt“, „in allen Autos erlaubt“). Ein Drittel der interviewten Raucher mit Kindern gab an, auf das Rauchen im Auto nicht „grundsätzlich“ zu verzichten. Hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung kamen die Autoren zu dem Ergebnis, dass „insgesamt mehr als eine Million Kinder und Jugendliche direkt oder indirekt von einer Tabakrauchbelastung im Auto betroffen“ seien. Durch den Verweis auf die „indirekte Belastung“, also Rauchrückstände im Fahrzeug, ist die Aussage zwar nicht falsch, jedoch als wissenschaftliche Grundlage für eine politische Diskussion über die Passivrauchbelastung von Kindern unzureichend und irreführend.
Man darf davon ausgehen, dass die meisten Erwachsenen auf die Zigarette im Auto verzichten, wenn Minderjährige mitfahren. Die Zahl von einer Million betroffener Kinder dürfte in keiner Weise der Realität entsprechen.

Demgegenüber lässt sich zu Recht einwenden, dass jedes betroffene Kind eines zu viel ist. Wie sieht also die passende Problemlösung aus? Wie erreicht man rücksichtslose Eltern?

Beim Blick auf das Verbot in Österreich wird deutlich, dass deren Ansatz nur bedingt als Vorbild geeignet ist. Als „übereilter Initiativantrag“ wurde diese Regelung ohne ordentliche Prüfung des Handlungsbedarfs verabschiedet. Auch in der Anwendung beschreibt es der österreichische Automobilclub ÖAMTC als „kaum vollziehbar“, da das Gesetz nicht als Anhaltedelikt gestaltet sei, sondern auch Anzeigen im Vorbeifahren möglich seien. Die Identität rauchender Mitfahrer ließe sich so jedoch gar nicht ermitteln.
Kurioserweise tritt in Österreich erst 2019 ein bundesweites Rauchverbot für unter 18-jährige in Kraft. Seit Mai verhalten sich Erwachsene nun rechtswidrig, die in Anwesenheit eines 17-jährigen Mitfahrers rauchen. Zündet sich der Minderjährige im Auto selbst eine Zigarette an, ist bis zum Jahreswechsel hingegen rechtlich alles in Ordnung.

Der Vollzug einer solchen Regelung scheint genauso problematisch zu sein wie die Durchsetzung des Handyverbots. In England und Wales ist das Rauchen im PKW in Anwesenheit von Kindern seit 2015 verboten. Die Recherche einer britischen Nachrichtenagentur offenbarte, dass innerhalb des ersten Jahres lediglich ein einziger Verstoß mit einer Geldstrafe sanktioniert wurde.

Haben derartige Gesetze also eher symbolischen Charakter? Zynisch fragen sich viele, wann auch noch der warme Pullover für Kinder gesetzlich vorgeschrieben wird. Wäre im Spannungsfeld zwischen Eigenverantwortung und Eingriff des Staates die Fortsetzung und Verstärkung bestehender Aufklärungsmaßnahmen nicht geeigneter, um ignorante Eltern zu erreichen?

Mit ihrer seit 2016 laufenden Kampagne „rauchfrei unterwegs – du und dein Kind“ will die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Mortler bewusst „nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern in Form eines Appells über die gesundheitlichen Gefahren des Passivrauchens informieren“.
Mit dieser Ansprache kann eine umfassendere Wirkung als durch ein gesetzliches Verbot erzielt werden. Sollte nämlich tatsächlich ein Rauchverbot im Auto beschlossen werden, stellt sich die Frage, wo der Staat Kinder als nächstes vor ihren Eltern schützen muss. Im heimischen Kinderzimmer? Spätestens hier dürfte der Gesetzgeber jedoch an verfassungsrechtliche Grenzen stoßen. In das Grundrecht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) darf nur bei Straftaten durch richterlichen Beschluss eingegriffen werden.

Derartige Kampagnen sind zwar aufwendig, teuer und verlangen einen langen Atem. Doch im Sinne des nachhaltigen Jugendschutzes dürften sich diese allemal lohnen.