Werbeverbote schaden deutscher Wirtschaft

Am 20. April 2016 hat das Bundeskabinett auf Initiative des damaligen Landwirtschaftsministers Christian Schmidt (CSU) trotz lautstarker Proteste der deutschen Wirtschaft, der Politik und der Zivilgesellschaft einen Gesetzentwurf zum Totalwerbeverbot für Tabakerzeugnisse verabschiedet. Die schon seit vielen Jahren bestehenden Werbeverbote im Fernsehen, Radio, Internet, Zeitungen und Zeitschriften sollen auf die Außen- und Plakatwerbung ausgeweitet und die kostenlose Abgabe von Produktproben zu Werbezwecken (sog. Sampling) untersagt werden. Zudem ist vorgesehen, Kinowerbung auf Vorstellungen ohne Jugendfreigabe (FSK-18) zu beschränken. Ein Verbot durch die Hintertür: 2015 lief kein einziger Film ohne Jugendfreigabe in deutschen Kinos, in den letzten fünf Jahren entfielen niemals mehr als zwei Prozent der Kinobesuche auf FSK-18-Vorführungen. Eine Verabschiedung des Gesetzentwurfs hätte zur Folge, dass erstmals nicht mehr für ein legales und gegenüber Erwachsenen frei handelbares Produkt außerhalb der Verkaufsstellen geworben werden dürfte.

Nach Bewertung des renommierten Leipziger Verfassungsrechtlers Prof. Dr. Christoph Degenhart wäre ein solches Totalwerbeverbot jedoch verfassungswidrig. Denn auch die Wirtschaftswerbung genieße den Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Grundgesetz) und falle als berufliche Außendarstellung in den Schutzbereich der Berufsfreiheit (Art. 12 Grundgesetz). Das vorgesehene Verbot der Außenwerbung sei unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig: „Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Freiheit der Marktkommunikation bereits erheblich eingeschränkt ist. Weitere Beschränkungen als additive Grundrechtseingriffe würden die Grundrechte leerlaufen lassen.“ Weder könne der Gesundheits- und Jugendschutz einen generellen Vorrang vor anderen Rechtsgütern beanspruchen, noch erforderten völkerrechtliche Verpflichtungen im Rahmen des Tabakkontrollprotokolls der Weltgesundheitsorganisation WHO ein Verbot der Außenwerbung. Der Gesetzentwurf ist wegen nicht erwiesener Wirkungszusammenhänge zwischen Außenwerbung und Raucherprävalenz insbesondere von Kindern und Jugendlichen ungeeignet. Unverhältnismäßig sei auch ein generelles Kinowerbeverbot, weil die bestehenden zeitlichen Beschränkungen genügen. Für ein Verbot des Samplings sei, so Prof. Degenhart, keine verfassungsrechtliche Rechtfertigung ersichtlich.

Auch ohne Totalwerbeverbot: Anteil jugendlicher Raucher seit Jahren im Sturzflug

Tatsächlich besteht keinerlei Notwendigkeit für eine derart gravierende Verletzung verfassungsrechtlich geschützter Freiheiten. Die Raucherprävalenz unter Kindern und Jugendlichen befindet sich seit Jahren im Sturzflug: Deutschlands Kinder und Jugendliche konsumieren immer seltener Tabakprodukte. Die Raucherquote der 12- bis 17-Jährigen ist seit 2001 von 27,5 Prozent auf aktuell 5,6 Prozent zurückgegangen. 85,1 Prozent der Jugendlichen geben an, in ihrem Leben noch nie geraucht zu haben. Die Nieraucherquote bei 18- bis 25-Jährigen ist mit 45,9 Prozent auf dem höchsten Stand seit Start der Befragung 1973 (Quelle: BZgA 07/2020). Auch im Bereich der E-Zigarette bzw. E-Shisha ist trotz deutlicher Umsatzzuwächse in diesem Marktsegment in den vergangenen Jahren kein Trend zu einer verstärkten Nutzung durch Jugendliche in Deutschland festzustellen (Quelle: BZgA 09/2018). Mit diesen Ergebnissen schneidet die bislang maßvolle Präventionspolitik in Deutschland erfolgreicher ab als die vieler anderer EU-Mitgliedstaaten, die schon vor Jahren ein Komplettverbot der Tabakwerbung eingeführt haben.

Anschlag auf ordnungspolitische Prinzipien der Marktwirtschaft

Die gesundheitspolitische Wirksamkeit weiterer Werbeverbote ist höchst zweifelhaft. Unbestritten ist hingegen, dass ein absolutes Werbeverbot für Tabakerzeugnisse eine ordnungspolitische Grundsatzentscheidung darstellt. Sollte es zu einem Verbot kommen, schafft die Bundesregierung die Regulierungsblaupause für alle Genussmittel, von denen potentiell gesundheitliche Gefahren ausgehen. Seien es zucker-, salz- oder fettreiche  Lebensmittel, Softdrinks oder alkoholische Getränke. Der Markenverband stellte besorgt fest, dass „bewusst der Weg für weitere Werbeverbote für andere Produkte geöffnet wird. Denn wer einmal ein generelles Werbeverbot mit der Begründung erlässt, dass es den Gesundheitsschutz fördere, der kann bei Werbeverboten für andere Produkte zwangsläufig nicht argumentieren, dass Werbeverbote nicht dem Gesundheitsschutz dienen.“ Dass sich die Debatte über Verbote der kommerziellen Kommunikation für weitere Produkte und Branchen sehr bald konkretisieren wird, ist schon jetzt absehbar. So hat sich auf Ebene der EU, die maßgeblich die heute bestehenden Tabakwerbeverbote herbeigeführt hat, Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis unlängst für Werbeverbote für vermeintlich ungesunde Lebensmittel zur Bekämpfung von Übergewicht in der Bevölkerung ausgesprochen.